Da capo für 225 Kinder

Projekt der Musikschule mit den Schulen und Vereinen führt Grundschüler ans Musizieren heran.

  1. Höchste Konzentration an der Tischgeige Foto: Peter Stellmach

  2. Doodisten im Duett: JMS-Chef Götz Ertle und Bürgerstiftungsvorsitzender Klaus Menner, beide Saxofonisten, probieren das einfache Instrument aus. Foto: Peter Stellmach

  3. Die Hände als Instrument zum Lied (Mitte Magnus Cordes-Schmid) Foto: Peter Stellmach

  4. So sieht Freude und Neugier am musikalischen Ausprobieren aus. Foto: Peter Stellmach

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TITISEE-NEUSTADT. „Ich streich auf, ich streich ab …“: Zum Schluss hockt Magnus Cordes-Schmid mitten im Raum, und während an den Tischen die Jungen und Mädchen unter Hilfestellung von Lehrerin Heidrun Wachenheim mit den Bögen über die Saiten von Tischgeigen streichen und Töne erzeugen, gesellen sich immer mehr Jungs – man staune – von sich aus zu ihm und singen fröhlich und recken die Arme in die Luft und versuche Tanzschritte.

Da capo, noch einmal, möchte man sagen in diesem Unterricht der Zweitklässler der Hebelschule. Sie sind mit Freude bei der Sache, Musizieren ganz spielerisch.

Ortswechsel. Götz Ertle und Klaus Menner, Saxofonisten beide, greifen zum Dood und blamieren sich nicht. Dood? Das ist eine Flöte mit Klarinettengriffen und -sound, doch dazu später. Ertle und Menner treffen sich in ihren Funktionen als Leiter der Musikschule und als Vorsitzender der Bürgerstiftung. Die Musikschule hat 2200 Euro erhalten und damit einfachste Instrumente gekauft für das Projekt „Da capo“. Ertle ist sich sicher, dass es ein Erfolg wird – nein: ist. Denn 100 Zweitklässler der Hansjakob- und der Hebelschule sind im zweiten Schuljahr dabei, 125 Erstklässler beider Schulen haben im laufenden Schuljahr begonnen.

Die Kinder sollen Töne erzeugen und hören und so ein Gefühl für Musik in ihrer einfachsten Form erfahren. Ziel ist es, sie für die Musik zu prägen. Das geschieht als Mitläufer im Schulunterricht. Magnus Cordes-Schmid und Waldemar Lang, beide Musiklehrer, besuchen die Klassen und gehen im Tandem mit den Klassenlehrern vor. Sechs Klassen an der Hansjakobschule und drei an der Hebelschule haben einmal wöchentlich „Da capo“ im Stundenplan stehen. Aus der musikalischen Früherziehung kennen die Kinder die Blockflöte und die Orffschen Instrumente. Bei „Da capo“ werden Töne erzeugt auch mit dem, was man gerade hat. Es wird gesungen und gesprochen und Theater gespielt, mit den neuen Vorläuferinstrumenten werden die Grundfertigkeiten des Musizierens ausprobiert: Tasten und zupfen, blasen und streichen.

Zurück ins Klassenzimmer. Cordes-Schmid geht kreativ vor. Zeigt den Kindern einfache Instrumente. Weist auf die Tischgeige, an deren Saite man zuletzt gezupft hat. Diesmal kommt der Bogen dazu, Heidrun Wachenheim muss augenzwinkernd bitten: Nur mit den Augen schauen! „Hat schon mal jemand gestrichen?“, fragt Cordes-Schmid. Ja klar, ein Zimmer, ein Haus, viel Erfahrung unter Opas Anleitung hört man da heraus.

Kolokolokolokolophonium – ohne bleibt die Geige stumm

Aber eben, auch die Geige streicht man. Spielerisch führt der Musikpädagoge die Kinder ein: mit Kreidestrichen auf der Tafel führt er die gleichmäßige Bewegung vor; mit der Frage nach der richtigen Drehrichtung einer Schraube zeigt er, wie man den Bogen spannt; mit einem Reim lehrt er, was auf den Bogen aufgetragen wird, nämlich Kolophonium (Geigenharz), „ohne bleibt die Geige stumm“. Kaum eine Anleitung gibt Cordes-Schmid nur gesprochen. Mal packt er es in eine Melodie, mal weckt er mit der englischen Zählweise one, two, three das Mitmachinteresse, mal bewegt er den Körper.

Das Geld der Bürgerstiftung reicht für 25 Doods (sie sind aus Kunststoff, haben ein Kunststoffplättchen und können mit Seifenlauge einfach ausgewaschen werden; Kostenpunkt je 30 Euro), 25 Melodicas, 25 Signalhörner und 100 Anblasschläuche sowie 25 Tischgeigen. Es gab sogar schon zwei Projekte, das Troll- und das Zollstockprojekt, da wurde alles extra geschrieben und dann gewissermaßen an die Kinder angepasst, „das Stück entsteht während der Arbeit“, sagt Ertle. Die Kinder spielen und singen auswendig, und es ist ganz normal, dass „etwas heraus kommt, von dem man vorher noch gar nichts wusste“.

Man könnte auch kreatives Chaos sagen – mit erstaunlichen Beobachtungen: Die, dass Kinder ganz losgelöst mitmachen und andere das, was sie hören und sehen, aus dem Unterricht mit heim nehmen und dort entfalten.

Das Ziel lautet, dass die Kinder zum Ende des zweiten Dacapo-Schuljahrs im Mai 2017 eine Vorstellung mit den Jugendorchestern der Vereine geben. Am Ende des zweiten Schuljahrs haben es dann die Eltern in der Hand zu entscheiden, ob ihre Kinder Musik weiter machen dürfen. Denn zwar steht bedingungslos die musische Bildung im Vordergrund. Aber natürlich schwebt darüber das Interesse der Vereine, dass sie Nachwuchs bekommen.

An dem Projekt beteiligt sind die Stadtmusik und die Jugendkapelle, der Akkordeon- und Harmonika Club sowie das Sinfonische Orchester. Von 20 000 Euro Kosten jährlich trägt die Stadt – der Gemeinderat hat das Modellprojekt voll unterstützt – 65 Prozent der Personalkosten, die Vereine 35 Prozent.

Da kommt so eine Gabe wie die der Bürgerstiftung gerade recht. Klaus Menner war als Pädagoge und Musiker ein starker Befürworter: Ihm gefällt, dass die Musikschule und die Vereine „etwas tun“, statt zu klagen über die Defizite in musikalischer Bildung infolge Zeitmangel und anderer Verlockungen. Ertle würdigt das Engagement der Lehrer.

Das Konzept hat Vorlaufzeit gehabt. Nach dem dritten Jahr wird man sich dem Gemeinderat erneut stellen mit dem Ziel, das Projekt zu einer dauerhaften Einrichtung zu machen. Ertle hat festgestellt, dass diese Erfindung der Musikschule schon Aufmerksamkeit weckt und von außen mit Interesse beobachtet wird.