Badische Zeitung vom 12. September 2014

Sommerschule ist „cool, cool, cool!“

19 Drittklässler aus dem Hochschwarzwald haben die Ferien zum Lernen genutzt / Spiel, Spaß und Bewegung im Vordergrund.

  1. Jeder darf mal: Lesen und Lernen an einem Infopult auf dem Wichtelpfad, rechts Lehrerin Hilde Geyer. Foto: Peter Stellmach

  2. Gemeinsam stark: Ein Mädchen liest aus der Anleitung vor, die anderen halten und schrauben den Nistkasten zusammen; rechts Feldberg-Ranger Raphael Böhm. Foto: Peter Stellmach

TITISEE-NEUSTADT / FELDBERG. Schule in den Ferien? „Cool, cool, cool!“, schallt es aus drei Mündern. Dabei lassen die Mädchen nicht ab von ihrer Beschäftigung. Gemeinsam bauen sie einen Nistkasten zusammen. Sie beraten sich gegenseitig und mit Feldberger-Ranger Raphael Böhm, wie’s Schritt für Schritt weiter geht. Sie lesen laut für alle die Anleitung, fügen die vorgefertigten Teile aus Fichtenholz lose zusammen, setzen Schrauben und drehen sie ein – und nebenan erfährt der Reporter, dass der kleine Stab am Einflugloch natürlich da ist, damit die Vogeleltern absitzen können, um von dort aus die Vogelkinder zu füttern. Na bitte.

Eine Momentaufnahme am frühen Nachmittag in einer Hütte am Feldberger Wichtelpfad. Sie ist eine Station eines neuen Projekts: Die Hansjakobschule in Neustadt hat die letzte Woche der Ferien zur Sommerschule gemacht. Das ist eine Besonderheit, denn im ganzen Schulamtsbezirk gab es bisher Sommerschulen nur an der Ökostation in Freiburg und am Schulbauernhof Hochburg in Emmendingen. Die Hansjakobschule ist aber nicht allein: Von den 19 Drittklässlern kommen welche von der Hebelschule, von der Hirschbühlschule in Titisee, aus Hinterzarten/Breitnau und aus Altglashütten.

FÜR EIN GUTES GEFÜHL
Für die dritten Klassen ist die Sommerschule bewusst ausgewählt. Denn das Ziel ist es, Jungen und Mädchen, die sich mit Deutsch und Mathe noch etwas schwer tun, für die vierte Klasse zu stärken, die ja eine wichtige ist vor dem Übergang auf weiterführende Schulen. Grundfertigkeiten in Lesen und Schreiben und in der Kenntnis des Wortschatzes sowie die Grundrechenarten sollen durch Wiederholung gefestigt werden. „Sie sollen mit einem guten Gefühl ins neue Schuljahr wechseln“, sagt Nadine Kürner.

Die Lehrerin, die seit acht Jahren an der Hansjakobschule unterrichtet, bildet zusammen mit Hilde Geyer und Jasmin Kittler das dreiköpfige Team der Hansjakobschule, das das etwas andere Lernen betreut. Geyers Schwerpunkt ist Lesen und Schreiben, Kittler kümmert sich um das Rechnen, Kürner hilft speziell den Kindern, für die Deutsch nicht die Muttersprache ist.

Die Schüler wurden von ihren Klassenlehrern zur Teilnahme vorgeschlagen. Das Mitmachen war aber freiwillig. Die Entscheidung lag bei den Eltern, die jedoch ihren Nachwuchs nicht gedrängt haben sollten, sagt Hansjakob-Rektor Stefan Lotze. Die Sommerschule soll ja nicht den Kindern schon vor dem ersten Tag des neuen Schuljahrs Druck bringen. Er spricht von einem großen Vertrauensvorschuss, den Eltern und Kinder erbringen. Es ist auch nicht das ganze Kontingent voll, vier Plätze je Klasse, also 28 wären es gewesen. Gute Erfahrungen jetzt wären gut.

Spielerisch und mit Spaß lernen, das steht im Vordergrund. Es ist ein entspannter Tagesablauf. Die Hansjakob-Kinder treffen sich um 8 Uhr an ihrer Schule zu einem kleinen Frühstück, dann fahren sie nach Titisee, wo die Jungen und Mädchen aus den anderen Orten dazustoßen, gemeinsam geht’s mit dem Bus an den Feldberg. Das Haus der Natur dient für eine Woche als Basislager, dort stehen der Sommerklasse drei Räume zur Verfügung, aber das schöne Wetter erlaubte es auch, viel draußen zu sein.

ROUTINE IST AUFGELÖST
Um 9.30 Uhr geht es los. Zum Auftakt durften sie am Montag mikroskopieren, seither folgten verschiedenartig angelegte Übungen. Die Pädagoginnen gehen so vor, dass die Kinder lernen, während sie Spiel und Spaß haben sowie viel Bewegung in der Natur. Indem beispielsweise über die Tiere des Waldes gesprochen wird, erweitert sich der Wortschatz. Schreib- und Leseübungen verfestigen das vertiefte Wissen und die Fertigkeiten. Und man kann ja auch Vögel und Käfer und Pflanzen zählend rechnen üben.

Alles in ganz entspannter Atmosphäre, wie Kürner sagt, „Lernen macht Spaß“, betont sie und begründet es damit, dass erstens die Situation eine andere ist, weil man nicht wie üblich in der Klasse sitzt, und zweitens die Unterrichtsroutine aufgelöst ist und niemand Angst vor Noten zu haben braucht. Das Lernen funktioniere so gut, weil die Lerninhalte bezogen auf den Alltag und das Erlebnis vermittelt werden. „Das ist ja auch für die Lehrer schön“, erzählt Kürner. Nach einem gesunden Mittagessen geht es nachmittags weiter, und um 15.30 Uhr fährt der Bus nach Hause.

WO IST ANTON?
In Wanderkleidung führt Nadine Kürner die BZ zu den Kindern. Die sind auf dem Wichtelpfad unterwegs und haben sich in zwei Gruppen geteilt. Die eine ist schon in der Hütte und baut mit Raphael Böhm und Jasmin Kittler Nistkästen. Die andere Gruppe zieht auf der 2400 Kinderschritte zählenden Strecke durch den Auerhuhnwald. Auf der Suche nach Anton Auerhahn bleibt man an jeder Station stehen, wo Infopulte in Comicform seine Abenteuer erzählen und gleichzeitig viele Lerngelegenheiten bieten durch Lesen und Erzählen. Nebenbei erfahren sie vieles über die Tiere des Waldes und deren Besonderheiten. Auf dem weiteren Programm steht unter anderem ein kleines Theater, während heute zum Abschluss ein Grillen angesagt ist.

Wichtige Rollen spielen noch zwei Helfer. Raphael Böhm ist ein Feldberg-Ranger, den es einst als Zivi von Ehingen bei Ulm an den Höchsten verschlug und der während des Geografiestudiums in Freiburg als Honorarkraft wieder hier tätig ist. Riesenbegeisterung hat der 24-Jährige bei den Kindern festgestellt – Riesenspaß macht es ihm selbst, wenn er Sachkunde an die Kinder vermittelt und damit, wie er hofft, auch Bewusstsein für sein Anliegen Natur und Umwelt wecken kann. Ähnlich ergeht es Jan Steurenthaler (20), der, von der Ökostation Freiburg kommend, wo er die Sommerschule schon kennengelernt hat, hier als Betreuer mitwirkt.

GERNE WIEDER
So spielerisch die Sommerschule ablaufen soll: Dahinter steckt einige Arbeit. Schon im alten Schuljahr begannen die Vorbereitungen. Dazu gehörten ein Treffen mit dem Schulamt und die Suche nach dem Team, es folgten inhaltliche Überlegungen bis zum fertigen Konzept, Abschlussbesprechung und Einteilung. Für ihren Einsatz bekommen die Lehrerinnen im neuen Schuljahr zwei Stunden ihres Deputats erlassen, macht 76 Stunden, die es aber für das Projekt auch tatsächlich gebraucht hat, wie Nadine Kürner sagt und Rektor Lotze voller Anerkennung bestätigt. Und mit dem Abschluss der Sommerschule ist ja auch noch nicht Schluss, Nachtreffen werden folgen.

Ob die Sommerschule eine feste Einrichtung wird? Wenn es nach dem Rektor und den Lehrerinnen geht, sicher schon. Aber „der Antrag muss jährlich neu gestellt werden“, sagt Lotze. Vielleicht könnte er ihn ja mit diesem Eindruck des Reporters unterfüttern. Der fragte an einer Station einen Jungen, was ihm an der Sommerschule gefällt, und der sagte: „Dass ich hier so viel lerne.“